Namen

 

 

Bernstein und seine Namen

 

 

Der Bernstein in den Sprachen der Welt –

 

Ein Spiegel seiner Geheimnisse und Geschichten

Bernstein Namen in anderen Sprachen

Gintaras

 

"Gintaras" ist das litauische Wort für Bernstein. Es ist ein geheimnisvoller Ausdruck, dessen Herkunft nicht ganz geklärt ist. Wahrscheinlich bezieht es sich jedoch auf Harz. Die baltischen Sprachen gehören zur finno-ugrischen Sprachenfamilie und sind eng mit Ungarisch verwandt. Gyanta ist das ungarische Wort für Harz, Bernstein hieß dort früher sogar "gyntar". Da "gintaras" und "gyntar" sehr ähnlich klingen, könnte es also ganz einfach Harz bedeuten, während Harz in Litauen eine andere Bezeichnung hat und "sakas" heißt.

 

"Gintaras" – also Bernstein aus Litauen – ist weltweit sehr begehrt, da Funde an der baltischen Küste eine einzigartige honiggoldene Farbe besitzen. Wenn man in der Antike vom "Gold des Nordens" sprach, dachte man an Bernstein aus Litauen, Lettland oder Estland.

 

 

Sakal

 

Sakal ist das ägyptische Wort für Bernstein und erinnert an das litauische Wort "sakas" für Baumharz. Der englische Forscher G. Williamson hat interessanterweise festgestellt, dass es an der baltischen Küste einmal einen Ort namens Sakai gegeben hat. Noch heute gibt es in der gleichen Gegend ein Dorf namens Sakūčiai. Es liegt am Fluss Minija, der einst der Beginn der wichtigsten Wasserstraßen war, die aus dem Baltikum in den Süden führten. Man kann vermuten, dass mit den Booten und Händlern auch das Wort aus dem hohen Norden nach Ägypten gewandert ist.

 

Bernstein faszinierte damals alle, denn er war leichter als alle anderen Steine. Er leuchtete und war so weich, dass man ihn problemlos teilen konnte. So wurde er zum Edelstein der Fürsten, Könige und Pharaonen. Howard Charter fand bei seinen Ausgrabungen 1922 im Grab von Tutenchamun einen Skarabäus aus braunen Bernstein, der ganz offensichtlich aus dem Baltikum stammte. Man fand aber auch Bernsteinschätze in den Fürstengräbern anderer Völker, die entlang der Bernsteinstraße lebten.

 

 

Elektron und Electrum

 

Die elektrische Wirkung von Bernstein hat unsere Sprache nachhaltig beeinflusst. Das griechische Wort für Bernstein ist Elektron, das lateinische Electrum. Allerdings sollte man sich davon nicht verwirren lassen, denn sprachgeschichtlich liegt die Situation umgekehrt. "Electrum" bezieht sich auf das Wort "elektor", das "so hell wie die Sonne" bedeutet. Das griechische Wort "Elektron" hat eine ähnliche Bedeutung, denn es steht für Hellgold. Die Römer und Griechen waren also vom Leuchten und von der strahlenden Transparenz des Steins fasziniert. Allerdings kannten sie die elektrische Wirkung des Bernsteins sehr gut. In wohlhabenden Haushalten gab es größere Steine, mit denen man die Kleidung abbürstete, da alle Haare und Staubkörner daran hängen blieben. Die elektrische Wirkung von Bernstein gab später allen elektrischen Dingen und auch den Elektronen ihren Namen. Unsere Elektrizität und einige physikalische Fachbegriffe sind also nach Bernstein benannt.

 

Die alten Römer waren übrigens so fasziniert von Bernstein, dass es Szenen gab, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. So beschreibt Plinius d. Ä. (23-79 n.Chr.) in seinem Werk "Historia Naturalis" einen Tag im Kolosseum. Kaiser Nero hatte sich dermaßen in das leuchtende und strahlende Electrum verliebt, dass er Reiter gen Norden geschickte hatte. Sie hatten nur eine Aufgabe: Sie sollten das kostbare Electrum nach Rom bringen. Sie kamen mit so viel "nordischem Gold" zurück, dass man an einem besonderen Festtag alle Gladiatoren und Diener im Kolosseum damit schmücken konnte. Das größte Stück soll 4,3 Kilogramm gewogen haben. Selten waren die zum Tode Geweihten so prachtvoll geschmückt wie an diesem Tag.

 

 

Kahruba

 

Kahruba ist die indische Bezeichnung für Bernstein. Das Wort erinnert stark an das arabische "karaba". Es bedeutet "das, was Stroh an sich zieht". Beide Wörter – Kahruba und Karaba – stammen aus dem Persischen. Die Sache mit dem Stroh ist dabei logischer, als man unmittelbar glauben könnte. Bernstein entwickelt bei Reibung elektrische Spannung, leichte Dinge bleiben anschließend an ihm hängen. Beim Klang von "Karaba" sieht man förmlich einen persischen Händler vor sich, der auf einem Markt den geheimnisvollen Bernstein an seinem Mantel reibt und dann der verblüfften Menge zeigt, wie die leichten Strohhalme nun daran hängen bleiben. Diese elektrostatische Reaktion scheint im Orient faszinierender gewesen zu sein, als seine Transparenz oder seine geheimnisvollen Einschlüsse von kleinen Blättern und Insekten.

 

 

Hupo

 

In China bezeichnet man Bernstein als Hupo – die Tigerseele. Po ist die Seele, Hu der Tiger. Der Name bezieht sich direkt auf die chinesische Entstehungslegende von Bernstein. Laut dieser Legende können Tiger nicht weinen. Falls sie weinen, verlässt ihre Seele mit den Tränen des Tigers den Körper. Diese Tränen tropfen auf die Erde und verwandeln sich sofort in Stein.

 

In der chinesischen Medizin spielte Hupo als Heilstein schon immer eine große Rolle. Chinesische Ärzte verwenden ihn bis heute bei Schlaflosigkeit und bei Alpträumen. Sie bauen auf die ausgleichende Wirkung von Bernstein und seine beruhigende Kraft, die alle so lebensfroh stimmt, dass Alpträume keine Chancen haben. In früheren Zeiten kam Hupo sogar bei schweren psychischen Störungen zum Einsatz, da man hoffte, dass der Erkrankte damit wieder seine "goldene Mitte" findet.

 

 

Amber

 

Das englische Wort Amber ist leicht zu erklären. Es ist eng mit dem aus dem griechischen stammenden Wort Ambra verwandt. Ambra ist eine Substanz, die man in den Därmen der Pottwale findet. Ambra war bis vor hundert Jahren zur Herstellung von Parfum sehr wichtig. Das ist sehr erstaunlich, da es aus Tintenfischresten und anderen unverdaulichen Pottwal-Ausscheidungen besteht. Lange Zeit wusste niemand, wo Ambra herkam. Vielerorts glaubte man, es seien Büsche oder Blumen, die auf dem Meeresboden wachsen. Erst Ende des 18. Jahrhunderts fand ein Wissenschaftler eine Erklärung für das geheimnisvolle Ambra.

 

Es ist anzunehmen, dass man in England ursprünglich überhaupt keinen Unterschied zwischen Bernstein und Pottwal-Ambra erkannte. Deshalb haben dort Bernstein und Pottwal-Ambra den gleichen Namen, man unterscheidet nur über die Farbe. Bernstein heißt "yellow amber", das Ambra vom Pottwal "grey amber". Heute ist "grey amber" nicht mehr interessant und nur noch eine Kuriosität. Die alten farblichen Bezeichnungen sind deshalb in Vergessenheit geraten, und Bernstein heißt nur noch schlicht und einfach "amber".

 

 

Bernstein

 

Bernstein hat seinen deutschen Namen einer besonderen Eigenschaften zu verdanken: Er ist brennbar! "Bern" ist aus dem mittelhochdeutschen Wort "börnen" (brennen) entstanden. Bis zum Mittelalter nannte man ihn in Deutschland "Börnstein" oder auch "Brennstein". In manchen Gegenden war die Bezeichnung "Börnsteen" geläufig. Bernstein besteht aus Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff und ist – rein physikalisch betrachtet – eine elegantere Ausgabe von Braunkohle. Brennender Bernstein verströmt den Duft von Fichtenwäldern. Dieser Duft ist allerdings sehr individuell und auch von der Farbe des Bernsteins abhängig. Der Geruch des seltenen weißen Bernsteins gilt als besonders angenehm, das Aroma des dramatischen roten Bernsteins als sehr intensiv. Wer die Echtheit von Bernstein überprüfen will, kann eine Nadel erhitzen und damit den Stein berühren. Entsteht ein Duft, der sofort an einen Wald erinnert, ist die Echtheit bewiesen. Kunststoff oder Plastik raucht und stinkt.

 

 

Rav

 

In Dänemark heißt Bernstein "rav". Bereits die altnordischen Bronzezeitvölker und später die Wikinger bezeichneten ihre leuchtenden gold-gelben Funde am Strand als "rav". Dieses dänische Wort ist ein Überbleibsel aus der altnordischen Sprache, das in Schweden verdrängt wurde. Dort heißt er Bärnsten, ein Begriff, der mit Sicherheit im Mittelalter über die Hanse nach Schweden kam. Die Herkunft des Wortes "rav" erklärt sich, wenn man weiß, dass der Fuchs auf Dänisch "ræv" heißt. Es ist das gleiche Wort, es wird nur etwas anders ausgesprochen und deshalb etwas anders geschrieben. Im Altnordischen war es die Bezeichnung für die Farbe Rotbraun. Bernstein und Füchse symbolisierten diese Farbe.

 

Eine heute noch gebräuchliche dänische Redensart lässt außerdem vermuten, dass sich Wikinger oft um ihren Bernstein gestritten hat. Wenn ein Däne sagt, eine Situation sei von "rav" geprägt ("der er rav i den"), liegt Streit in der Luft. Jemand kann auch mit viel "rav" ein Zimmer betreten. Wer das tut, will Streit haben.